Grundwassergovernance
Ziel der sozialwissenschaftlichen Forschung im Projekt StressRes ist es, zentrale Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Grundwassergovernance in Deutschland zu identifizieren. Grundlage dafür sind umfassende Literaturanalysen sowie Interviews, die zeigen, dass Entscheidungen über die Verteilung von Grundwasser eng mit Fragen der Gerechtigkeit verknüpft sind – jedoch häufig unter Unsicherheit getroffen werden. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden derzeit weitere Interviewstudien durchgeführt, um besser zu verstehen, wie mit diesen Unsicherheiten in der Praxis umgegangen wird.
Die Forschung zu Grundwassergovernance im Projekt gliedert sich in drei Schwerpunkte: eine Politikfeldanalyse zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen, eine vertiefte Auseinandersetzung mit Fragen der Gerechtigkeit sowie die Analyse von Entscheidungsprozessen unter Unsicherheit.
Politikfeldanalyse
Als erster Schritt wurden im Jahr 2023 relevante Gesetze und Kontextfaktoren analysiert, um einen Überblick über das Politikfeld zu gewinnen. Die Grafik gibt einen Überblick über relevante Politiken der Bereiche Trinkwasser, Grundwasser und Landwirtschaft. Generell werden auf den Ebenen Deutschlands und Baden-Württembergs die Richtlinien der EU in bestimmten Spielräumen und umgesetzt und durch eigene Regulierungen ergänzt. Die gesetzlich bindenden Gesetze und Verordnungen werden in Deutschland durch die Nationale Wasserstrategie, sowie in Baden-Württemberg durch die Wassermangelstrategie und den Masterplan Wasserversorgung komplementiert, die zukunftsorientiert Visionen, Ziele und Pläne für einen nachhaltigem Umgang mit Wasser festlegen.
Grundwassergerechtigkeit
Vor dem Hintergrund sinkender Grundwasserstände in Deutschland gewinnt die Frage, wer Zugang zu Grundwasser erhält, also wie Nutzungsprioritäten gesetzt und Wasserrechte vergeben werden, zunehmend an Bedeutung. Diese Verteilungsfragen stehen dabei auch im Fokus der Nationalen Wasserstrategie, die entsprechende Priorisierungsrichtlinien entwickeln möchte. Im Rahmen unserer Forschung beschäftigen wir uns daher mit der Frage, wie sich Grundwassergerechtigkeit aus wissenschaftlicher Perspektive analysieren lässt.
In einer qualitativen Literaturübersicht haben wir 51 wissenschaftliche Fachartikel ausgewertet, die sich mit Grundwasser-Governance und Gerechtigkeitsaspekten in der Europäischen Union befassen. Dabei zeigt sich: Nur wenige Studien thematisieren das Thema „Grundwassergerechtigkeit“ explizit. Der Großteil der Literatur konzentriert sich auf institutionelle Rahmenbedingungen der Wasserverteilung, insbesondere auf die Vergabe von Wasserrechten – häufig im Kontext landwirtschaftlicher Bewässerung in Spanien. Für Deutschland existiert bislang kaum systematische Forschung zu dieser Thematik.
Thematisch verdeutlicht die Literatur, dass für die Frage einer gerechten Verteilung, die Rolle von Entscheidungen über die Nutzung von Grundwasser, wie und von wem diese Entscheidungen getroffen werden und wessen Wissen dabei Anerkennung findet zentral ist. Weiterhin zeigt sich, dass Unsicherheiten in der Verfügbarkeit, Modellierung und Materialität von Grundwasser maßgeblich beeinflussen, wie Wasserrechte verteilt und Entscheidungen getroffen werden.
Entscheidungen unter Unsicherheit
Von April bis September 2024 wurden Interviews mit Unteren Wasserbehörden (UWB) und Regierungspräsidien in Baden-Württemberg geführt, um vertiefte Einblicke in die Entscheidungsfindung zur Priorisierung von Grundwassernutzungen sowie in die aktuelle Genehmigungspraxis zu gewinnen. Ziel war es, systematisch zu erfassen, wie die aktuelle Situation eingeschätzt wird, welche Herausforderungen bestehen und welche Lösungsansätze bereits entwickelt wurden oder künftig erforderlich sind.
Die bisherigen Interviews zeigen deutlich, dass sowohl die Deutung als auch der Umgang mit Unsicherheiten eine zentrale Rolle bei der Vergabe von Grundwasserentnahmen spielen. Derzeit führen wir weitere Interviews durch, um besser zu verstehen, wie genau diese Unsicherheiten in der Praxis bearbeitet, bewertet und in Verwaltungsentscheidungen integriert werden.